Schlaraffenstadt 2040

eine Design Fiction

Schlaraffenstadt 2040 - eine Design Fiction



betreut durch:

Jürgen Bertling ( Fraunhofer UMSICHT Oberhausen)

 

Gewinnerin Nachwuchspreis MehrWert NRW 2019 in der Kategorie Vision

Auswahl  German Design Graduates 2019

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2040: Oberhausener tauschen Ausscheidungen und Biomüll gegen Nahrung. „Schlaraffenstadt 2040“ ist eine Design Fiction für ein künftiges Oberhausen, das sich selbst ernährt und das deutschlandweit erste Recyclingsystem für Nährstoffe besitzt. Aus Abwässern und organischen Abfällen wird Flüssigdünger für die urbane Landwirtschaft. Nährstoffspenden belohnt das System mit Bonuspunkten für den Nahrungskauf.

Die Weltbevölkerung wächst rasant und die populärsten Strategien zur Nahrungsproduktion tragen maßgeblich zur Ausbeutung endlicher Ressourcen bei. Phosphathaltiges Gestein wird zur industriellen Düngerproduktion benötigt, ohne die die Ernährung eines Großteils der Menschheit ernsthaft bedroht ist. 2040: Während andere nahrungsproduzierende Städte schwere Versorgungsengpässe erleiden, überwindet die Stadt Oberhausen als erste deutsche Stadt die Auswirkungen des Peak Phosphor – die weltweit maximale Fördermenge fossilen Phosphors. Trotz gesellschaftlicher Gesundheitsbedenken, sind menschliche Ausscheidungen eine hervorragende Nährstoffquelle für Nahrungspflanzen. Die Objekte der Design Fiction „Schlaraffenstadt 2040“ laden dazu ein, menschliche Exkremente und Abfälle als lebensnotwendige Rohstoffe wahrzunehmen. 

Durch einheitliche Gestaltungsprinzipien aller öffentlichen Objekte des Recyclingsystems, sollen diese im Stadtbild schnell dem Gesamtsystem zugeordnet werden können. Den formalen Rahmen bilden Kreise: In den Querschnitten des Müllschluckers und der interaktiven Toilette, in der Displayform der Düngersteckdose und der Toilettenspültaste, in sämtlichen Diagrammen der Interfaces und im Logo der Schlaraffenstadt Oberhausen. Die Signalfarbe Orangerot sticht vor den dunklen Hauptfarben aller Objekte heraus und weist auf die Interaktionsmöglichkeit an ihren berührungsempfindlichen Interfaces hin, die sich formal in die Objektoberflächen integrieren. Ihre Existenz ist im Jahr 2040 so selbstverständlich, dass Dargestelltes auf nötigste visuelle Informationen durch einfarbige Leuchttexte und -grafiken reduziert wird.

Design wird zum Mittel der Wissenschaftskommunikation und Werkzeug zur gesellschaftlichen Verhandlung: Im BMBF-Verbundprojekt SUSKULT koordiniert das Fraunhofer Institut UMSICHT die Entwicklung eines neuartigen Agrarsystems, das Kläranlagen mit der Nahrungsmittelproduktion koppelt. Die entwickelte Anlage soll am Klärwerk Emschermündung an der Stadtgrenze zu Oberhausen getestet werden. Diese Idee ist im Oberhausen des Jahres 2040 auf die Spitze getrieben und bereits einige Schritte weitergedacht. Die Nutzung aufbereiteter Abwässer im Nahrungsanbau ist hier nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern in der gesamten Stadt verteilt, zugänglich für alle Bewohner und als Rückgewinnungssystem für weitere organische Abfälle perfektioniert. Die Design Fiction zeigt über die Mittel des Produktdesigns, wie technologischer Fortschritt die Gestaltung täglicher Praktiken und Gegenstände beeinflussen und unsere Einstellung zu aktuellen Tabuthemen ändern kann. Die Ausstellung des fiktiven Objektsystems und die Darstellungen seiner Nutzung machen das Einflusspotential des Projektes SUSKULT greifbar und diskutierbar, wodurch die gesellschaftliche Akzeptanz der Forschungsziele auf humorvolle Weise gesteigert werden kann.

Oberhausen versorgt bereits seit den 2020ern all seine Bewohner mit pflanzlicher Nahrung aus urbaner Produktion. Seit 2039 kommen nun zum ersten Mal in Deutschland auch die Pflanzennährstoffe unmittelbar aus der Stadt. Ein neues Bonussystem macht aus Exkrementen sprichwörtlich Gold: Mit der Kanalisation verbundene Müllschlucker und öffentliche Toiletten sind interaktiv und schreiben Nutzern nach dem Wegspülen organischer Abfälle oder Ausscheidungen Bonuspunkte gut. Diese können beim Abzapfen von Pflanzennährstoffen aus der Düngersteckdose und bei der Bestellung urbaner Nahrung wieder eingelöst werden. Jeder Bewohner führt ein Nährstoffkonto, das einen Überblick darüber gibt, wie viele Nährstoffe gespendet oder entnommen wurden und Nahrungsbestellungen zulässt.