Fokus Türdrücker
Vom Kopf in die Hand und von der Hand in den Kopf – erfahrungsbasiertes Lernen ist die Basis meines Unterrichts in der gestalterischen Grundlehre. Im ersten Semester drehte sich für die Studierenden alles um das Greifen und Begreifen: In zahlreichen gestalterischen Übungen haben sie sich mit taktilen Erlebnissen, mit (Hand)werkzeugen und dem Zusammenhang zwischen Form, Bedeutung und Haptik auseinandergesetzt. Zudem haben sie den gleichnamigen Aufsatz von Otl Aicher gelesen, in dem es heißt: „Die Philosophie entdeckt den Gebrauch als Quelle der Erkenntnis.“ Der Gebrauch und das Machen werden von Aicher als Grundlage des Denkens, des Verstehens und des Gestaltens proklamiert.
„Das besondere an Griffen ist, dass sie nicht nur eng, sondern unauflöslich mit der menschlichen Hand verbunden sind.“ Aus: Hand und Griff, hrsg. V. FSB – Franz Schneider Brakel, Köln 1995.
So war es für uns eine große Bereicherung, das Projekt „Fokus Türdrücker“ im Jahr 2023 in Kooperation mit der Firma FSB durchführen zu können, deren Firmenkultur auf der jahrelangen Verbindung ihres ehemaligen Geschäftsführers Jürgen Werner Braun mit Otl Aicher aufbaut. Heute sorgt Wolfgang Reul dafür, dass diese Kultur in die Zukunft getragen wird. Mit viel Wissen und Leidenschaft vertritt er die Unternehmensphilosophie nicht nur gegenüber renommierten Architekt*innen und Designer*innen, sondern auch bei Hochschulen, die Designer*innen (aus)bilden. Ihm verdanken wir auch, dass diese Kooperation möglich war.
Aluminiumbarren. Nur eines von verschiedenen Ausgangsmaterialien der Produkte von FSB.
Schon der Blick in den Ausschussbehälter weckt bei uns das Bedürfnis die Griffe herauszunehmen und anzufassen.
Zu Projektbeginn ermöglichte uns eine Firmenbesichtigung bei FSB einen praxisnahen Einstieg in das Thema „Fokus Türdrücker“. Dabei lernten die Studierenden nicht nur die Produktionsprozesse und Qualitätsstandards des Unternehmens kennen, sondern erhielten auch Einblicke in die Firmenkultur durch zwei Vorträge:
In seinem Vortrag hat uns Wolfgang Reul dargelegt, welche Bedeutung die Architektur der Moderne noch heute für das Design von Türgriffen hat und umgekehrt – wie gut gestaltete Türgriffe die Signatur eines Gebäudes sein können. Der Designer Markus Michalski hat uns das Design der Produktfamilie Modell FSB 1289/90 vorgestellt, die er zusammen mit Michael Schmidt entworfen hat. Diese zeichnet sich durch eine elegante, nuancierte Linienführung in Kombination mit einer handschmeichelnden weichen Griff-Innenseite aus. Sie ist so zurückhaltend gestaltet, dass sie unabhängig von Architekturstilen existieren kann. Sie sind ein Beispiel, wie die Werte des Unternehmens auch im 21sten Jahrhundert wirken.
Zu Beginn des Gestaltungsprozesses haben die Studierenden in einer Feldstudie die Türgriffe in ihrem Umfeld zeichnerisch (u.a. mit Aufmaßen) und fotografisch dokumentiert. Diese haben sie auf ihre Form- und Materialeigenschaften und besonders auf ihre Nutzungskontexte untersucht. Außerdem haben sie die vorgefundenen Griffe im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Architekturstilen ihrer Gebäude betrachtet.
Als Gestaltungsimpuls sollten sich die Studierenden jeweils ein Architekturbeispiel oder einen Nutzungskontext wählen und entsprechende Türgriffe entwerfen. Verschiedene Gebäudetypen wie beispielsweise Kindergärten, Museen, oder Bürohochhäuser etc., lieferten Anregungen und Kriterien für die Entwürfe der Studierenden. Einige haben sich aber auch mit der Frage beschäftigt – Wie könnte eine universelle Türklinke aussehen, die für unterschiedliche Gebäude geeignet ist?
So sind in diesem Heft die jeweiligen Entwürfe der Studierenden als Designmodelle oder Prototypen in Zusammenhang mit Kollagen/Grafiken von Architektur-/ Nutzungskontexten oder Funktionsprinzipien abgebildet, die die Entwürfe ausmachen.
Eine wichtige Erkenntnis der Studierenden war, dass selbst scheinbar niederkomplexe Gegenstände wie Türklinken einen komplexen Entwurfsprozess erfordern. Dieser umfasst zahlreiche Skizzen und Modelle, um eine Form zu entwickeln, die ein klares Selbstverständnis vermittelt. Es bedarf intensiver Detailarbeit und zahlreicher Iterationen. Schließlich müssen Designmodell und Prototyp mit großer Sorgfalt ausgeführt werden, um die Qualität des Entwurfs optimal zur Geltung zu bringen.
Die Lehrenden zeigen den Studierenden Möglichkeiten des schnellen Modellbaus für Form-Iterationen.
Zwischenpräsentation. Sorgfältig begutachtet Herr Reul alle Vorentwürfe auf ihr Potential zur Weiterentwicklung.
Iterationen des Entwurfs Diamond von Won-Sang Yoo.
Im Fokus des Projekts stand die Erkenntnis, dass die Studierenden lernen sollten, ihren eigenen Entwurfsansatz für ein Produkt zu entwickeln, für das bereits zahlreiche Variationen existieren. Die Anforderung, dass die Entwürfe auch für eine Produktfamilie geeignet sein müssen, wurde bewusst nicht gestellt. Dennoch sind einige Entwürfe dafür weiterentwicklungsfähig.
Während des Designprozesses gaben Herr Reul und Herr Michalski den Studierenden regelmäßig wertvolle Feedbacks zu ihren Entwürfen. Dadurch bereicherten sie unsere Betreuung um ihre umfassende Expertise aus der Praxis.
Wir freuen uns sehr, dass das Ad-Hoc Ausstellungsformat mit sämtlichen studentischen Entwürfen im Rahmen einer Tagung in den Räumlichkeiten von FSB ausgestellt und präsentiert wurde. Diese Gelegenheit, die Arbeiten in einem professionellen Umfeld zu zeigen, ist uns eine Ehre und eine Chance für die jungen Nachwuchsdesigner*innen!
„Fokus Türdrückerf“ war für uns ein sehr anregendes Projekt und wir bedanken uns für diese erfolgreiche Kooperation, insbesondere bei Herrn Reul und Herrn Michalski, sowie bei allen anderen Mitarbeiter*innen der Firma FSB, die bei unterschiedlichen Gelegenheiten involviert waren.
Prof. Marion Digel
Hier können Sie die Publikation
zum Projekt Fokus Türdrücker downloaden.