Bericht zum Online-Symposium: »Let's Talk About Food«
Laut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) entstehen jährlich 12 Millionen Tonnen Lebensmittelabfall in Deutschland, weltweit sind es 1,3 Milliarden Tonnen. Das ist rund ein Drittel der globalen Lebensmittelproduktion. Gleichzeitig leiden laut der Friedrich Ebert Stiftung 30% der Weltbevölkerung unter Lebensmittelknappheit.
Dieses Ungleichgewicht und weitere Aspekte des Lebensmittel-Kosmos haben wir im Symposium »Let's Talk About Food« am 28.01.2022 mit eingeladenen Expert*innen aus verschiedenen Fachgebieten diskutiert.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Gästen, Zuschauenden und dem Team hinter »Let's Talk About Food«.
Moderiert wurde das Symposium von den M.A. - Studierenden Enya Scheller und Mingtong Sun.
Wir geraten in einen Kreislauf, der nicht mehr zu stoppen ist. Ein sofortiger Handlungsbedarf in Bezug auf Lebensmittelverschwendung ist notwendig. Welche Ansätze sind diesbezüglich akut am sinnvollsten? Was kann jeder einzelne tun?
Dr. Britta Schautz, Verbraucherzentrale Berlin:
»Ansätze wären unter anderem gut zu planen, Reste zu teilen, beispielsweise mit den Nachbarn, bedarfsgerecht einzukaufen oder auch andere für diese Thematik zu sensibilisieren. Und vielleicht selber protokollieren, was man wegwirft, das stärkt sehr das eigene Bewusstsein.«
Weitere aktuelle Berichte und Informationen der Verbraucherzentrale sind hier nachzulesen:
https://www.verbraucherzentrale.de/geniessen-statt-wegwerfen-lebensmittelverschwendung-stoppen-58985
Health-Claims im Konflikt zwischen sinnvoller Hinweis für Verbraucher*innen und Marketinginstrument. Wohin glauben Sie, tendiert das Labeling zukünftig?
Claudia Franke: »Das ist ein sehr schmaler Grad. […] Ich glaube ganz viele Leute wissen nicht, dass es eine Verordnung für die Verwendung von Health-Claims gibt und machen sich gar keine Gedanken darüber, was dahinter steckt. Der Hersteller muss heutzutage bestimmte Anforderungen erfüllen, um die Claims überhaupt auf die Produkte aufdrucken zu dürfen. Ich glaube wenn man hierfür das Wissen sensibilisieren würde, dass diese Substanzen wirklich in dem Produkt enthalten sein müssen und der Effekt der Substanz oder der Komponente des Lebensmittels auch wirklich zu diesem versprochenen Gesundheitsvorteil führen sollte, also dass da wissenschaftliche Belegbarkeit erforderlich ist, ich glaube dann würde man die Health-Claims auch gar nicht so stark als Marketinginstrument wahrnehmen. [...] Ich glaube tatsächlich, dass sich die Hersteller bei dem Labeling der Zukunft, viel mehr auf die Green-Claims fokussieren werden, dass Sie vielleicht die Gesundheits-Claims, zu Gunsten dieser Green-Claims vernachlässigen. Wäre jetzt einfach mal eine Vermutung von mir.«
Designprojekt von Pauline Schellenberg
Xugary – Wie Design ein neues Bewusstsein für den Zuckerkonsum fördern kann
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Zucker ist ein ehemaliges Luxusprodukt, das durch die Industrialisierung heute in Massen hergestellt wird. Die Produktion erfolgt in solch einem Überfluss, dass der Mensch kaum noch sieht, worin Zucker enthalten ist.
Xugary zeigt, wie Design eine andere Beziehung und ein neues Bewusstsein für den Konsum von Zucker fördern kann. Es besteht aus einem fünfteiligen Set, mit dem Menschen den langwierigen Prozess des Extrahierens und Raffinierens von Zucker aus einer Zuckerrübe zu Hause durchführen können.
Weitere Einblicke: https://id.folkwang-uni.de/projekte/food-and-the-virtual/xugary-wie-design-ein-neues-bewusstsein-fur-den-zuckerkonsum-fordern-kann/
Könnte der gesamte Landwirtschaftssektor auf SoLaWi umgestellt werden? Wie könnte unser Leben dann aussehen?
Klaus Strüber, SoLaWi: »Also das könnte stattfinden und ich glaube, dass unser Leben besser aussehen würde. Wir hätten mehr zufriedene Landwirte, wir hätten weniger kaputte Natur, wir hätten weitaus weniger weggeschmissene Lebensmittel. […] Auch der jetzige runde Tisch der Landwirtschaft sieht SoLaWi als eines der Transformations-Werkzeuge an, um diese Landwirtschaft in eine Richtung zu führen, sodass der Mensch eine Überlebenschance auf dem Planeten hat.«
Wird in der SoLaWi grundsätzlich vegetarisch produziert, oder wird teilweise (vielleicht auf Wunsch der Mitglieder) auch Fleisch produziert?
Klaus Strüber: »Im Grunde hängt die Entwicklung des Betriebes davon ab, was die Menschen möchten. Grundsätzlich ist eine Vollversorgung, mit allen Dingen die produziert werden können möglich, darunter auch Fleisch.«
»SoLaWi bedeutet für mich: Ein Lebensmittel verliert den Preis und erhält seinen Wert zurück.«
- Zitat Klaus Strüber
Wie kann sich die fairTEILBAR finanzieren, gibt es Subventionen oder reicht der Gewinn (v.a. mit dem „pay what you want“ Ansatz) aus, um z.B. Gehälter zu bezahlen?
Jana Gowitzke, fairTEILBAR Münster: »Also tatsächlich kann sich die fairTEILBAR über die Einnahmen finanzieren. Wir haben natürlich dieses Solidaritätsprinzip, dass Menschen, die nicht so viel Geld haben wenig zahlen, aber dafür zahlen auch die, die mehr haben, einen höheren Betrag. Aktuell finanzieren wir uns tatsächlich durch den Verkauf unserer Lebensmittel. Wir haben aber nicht nur Gemüse, sondern auch andere verpackte Lebensmittel. […] Zu dem jetzigen Zeitpunkt sind wir kein Verein bzw. nicht gemeinnützig, aber wir sind auf dem Weg zur Gemeinnützigkeit und dann dürfen auch wieder ehrenamtliche Personen bei uns arbeiten.«
Woran scheitern politische Maßnahmen in Deutschland? Gehen die Beispiele von Frankreich, Tschechien, Dänemark & Südkorea weit genug? Welche weiteren politischen oder gesellschaftlichen Maßnahmen wären vorstellbar?
Jana Gowitzke: »Also ehrlich gesagt woran es genau scheitert, kann ich auch nicht wirklich nachvollziehen. Es geht einfach über meinen gesunden Menschenverstand hinaus, da irgendwie Verständnis für zu haben, warum so viele Lebensmittel verschwendet werden. Es gab jetzt den Regierungswechsel von Julia Klöckner zu Cem Özdemir und ich bin sehr gespannt, was in Zukunft kommen wird. Herr Özdemir hat sich beispielsweise auch schon zu dem Thema Containern geäußert, was ich total toll finde. Er sagt, dass es total unsinnig sei Menschen zu bestrafen, die Lebensmittel aus dem Müll retten. [...] Es ist ja nicht so, dass wir viel Zeit hätten. Jeden Tag landen da unfassbare Mengen an Lebensmitteln im Müll. Es dürfte einfach nicht günstiger sein Lebensmittel wegzuschmeißen, als sie einfach weiter geben zu dürfen. Man kann sogar den Handel ein bisschen verstehen, wenn die sagen: „Nein, ich geb das nicht weiter, wenn ich dann noch oben drauf zahlen muss“. Das ist ja der größte Schwachsinn überhaupt. Ich würde mich gerne mal mit Cem Özdemir unterhalten und verstehen warum so viel im Müll landet.«
Dr. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale ergänzt die Diskussion im Chat:
»Der politische Wille für verpflichtende Lösungen war bisher in Deutschland nicht da, es wurde auf Freiwilligkeit gesetzt, mit dem bisherigen traurigen Ergebnis. Aber vielleicht ändert es sich ja jetzt.«
Warum nähert ihr euch Fleisch-/Fischprodukten weiterhin an, wäre es für Sie als Designer nicht auch vorstellbar, sich ganz neue Produkte mit innovativen Formen und Konsistenzen auszudenken?
Felix Bröcker, MILK (milk-food.de): »Also gesellschaftlich ist es so, dass es einfach viele Menschen gibt, die an etwas Gewohntem festhalten, etwas gewohnt sind. Und das ist natürlich eine super Brücke, dass sie erst einmal etwas Bekanntes kriegen, um die Akzeptanz zu erhöhen. [...] Aber ich finde es auch spannend ganz weit zu denken, bei den Köchen gibt es zum Beispiel Ferran Adrià, der etwas macht, wovon man erst einmal komplett überfordert ist, aber es für eine kleine Nische super spannend ist. Und es hat mit mehr Zeit auch durchaus Potential für den größeren Markt.
Andreas: Der Grund warum sich die Wirtschaft viel mit Imitaten beschäftigt ist glaube ich genau dieser Marktzwang, es auch verkaufen zu müssen. Jetzt haben wir im Lab gewisse Freiheiten, aber auch wir wollen es am Ende nicht für den Selbstzweck oder für ein Forschungsprojekt alleine machen, sondern natürlich auch Wirtschaftspartner finden, die diese Ideen umsetzen wollen, da muss man schon moderat vorgehen. [...] Also das ist eine total große Frage und die kann man vielleicht auch nur so beantworten: Ja, es wäre total cool und man spricht von “Green Pride”, dass ist jetzt die Bewegung nach der ersten “Imitat-Welle”, wobei man die Ersatzprodukte nicht mehr Ersatzprodukte sein lassen will. Hierfür ist meiner Meinung nach unser Pilz-Patty ein gutes Beispiel, weil er die Pilze als Kategorie begreift und nicht mehr versucht Rindfleisch Geschmack zu imitieren, sondern [...] einfach ein herzhaftes Aroma hat - ohne Tier.«
Gibt es Materialien oder Prozesse mit denen ihr im Lab in Zukunft gerne arbeiten würdet?
Andreas Milk, MILK (milk-food.de): »Alles interessiert uns in dem Bereich. Auf unserer Webseite gibt es ein Future Food Trend Radar → https://www.milk-food.de/trends/ [...] Mein Schwerpunkt war der Teil Packaging. Und hier ist sozusagen der “Holy Grail”, ein digitales Wasserzeichen, welches effektives Recycling fördert, besonders von Kunststoffverpackungen. Ihr könnt euch das als ein unsichtbares Wasserzeichen vorstellen, das im Artwork der Gestaltung integriert ist und dann ermöglicht, die darunter liegenden Materialien besser zu erkennen, effektiver zu trennen und in die richtigen Recycling Ströme zu leiten. Ich könnte mir für den zukünftigen Lebensmitteleinkauf im Supermarkt den Hybrid aus digital und analog vorstellen, da könnte dieser “Holy Grail” eben so weit führen, dass ich es mit der Hilfe von Smart Glasses oder Contact Lenses schaffe auszulesen, was jedes Produkt kann und was nicht. [...] Meine Zukunftsvision ist sozusagen, dass ich mit meiner Art Filter durch den Supermarkt gehe und dieser mir nur Produkte zeigt, die meinen Kriterien entsprechen, wie beispielsweise eine Bio Zertifizierung oder gute Kundenbewertungen. Hier könnte das digitale Wasserzeichen nicht nur für bessere Recyclingquoten sorgen, sonder tatsächlich auch für andere Anwendungsbereiche, wie Augmented Reality Cases, weiterentwickelt werden.«
Designprojekt von Kimia Amir-Moazami
Vorkoster – Wie können wir Lebensmittelverschwendung verhindern?
B.A. Projekt, UdK Berlin
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Die EU-Gesetzgebung besagt, dass die meisten verpackten Lebensmittel mit „Verfalls-“ oder „Mindesthaltbarkeitsdaten“ gekennzeichnet sein müssen. Diese Angaben sind hilfreich und wichtig, doch besonders das Mindesthaltbarkeitsdatum wird oft falsch interpretiert und kann zur Verschwendung von Lebensmitteln führen.
„Vorkoster“ ist ein Deckel, der den Verfall von Lebensmitteln sichtbar macht. In seiner Mitte befindet sich eine PH-sensitive Folie, die auf das Verderben von proteinhaltigen Lebensmitteln mit einem Farbwechsel reagiert. So entsteht ein Objekt, das uns unaufdringlich und analog daran erinnert, Lebensmittel zu konsumieren, bevor es zu spät ist. Der „Vorkoster“ soll eine Alternative zum standardisierten Verfallsdatum bieten und Hilfestellung für eine unverpackte Zukunft sein.
Das Projekt wurde als Open Source Konzept entworfen, daher lag der Fokus auf der Zugänglichkeit der verarbeiteten Materialien und Herstellungsprozesse. Der Deckel ist als 3D Druck Objekt angelegt und ist daher in seiner Materialität flexibel. Die PH-Folie wurde aus Algen hergestellt und funktioniert mit einem selbst gewonnen natürlichen Indikator Farbstoff. Seine Form ist eine Hommage an den umgedrehten Teller, der gerne zweckentfremdet zur Bedeckung von Essen genutzt wird.
„Vorkoster“ basiert auf dem Gedanken, sich unabhängig von Vorgaben großer Industrien zu machen. Der Versuch, festgesetzt erscheinende Prozesse zu Demokratisieren.
Weitere Einblicke: https://design.udk-berlin.de/2021/05/vorkoster/kimia-amir-moazami-ba-2020
Marije Vogelzang, Designerin: »Food hasn’t been a very accepted part of design for many many years and now, since i think about maybe ten years, more and more people start to work with food through design. Now it’s a global movement of people who understand that when we as human beings have this thing called food, this thing that we need to live, but that's so much more than that. And understand that when you are a designer you create something for other people to experience, so when you are designing a car you create something that people drive but you also create an experience of driving right? But what about food? If you create for human beings than food is maybe more important than this car. And you may say „well, we already have food. Do we need to add design to food?“. And that is a really good question and I do believe that a lot of food is already perfectly designed by nature or by biologists or by seed designers. A lot of food that we eat nowadays is already designed. Even carrots, even bananas for example, even the weed we eat. [...]
Isn’t it time now when our food system gets stretched and there is a lot of friction in our food system, because of a growing population, because of climate change, because of all kinds of challenges that we have in the world right now. Isn't it time to use creative thinking to apply to food to see if we can come up with alternatives to how we are dealing with food right now. And sometimes we might not just come up with alternatives to our food, but sometimes we can also use food to make us look at the world in a different way.«
Designprojekt von Lilli Malou Weinhold
kind regards - Essbare Postkarten
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Das Designprojekt kind regards besteht aus einem Set essbarer Postkarten, die aus saisonalem und regionalem Gemüse einer Region, eines Landes gefertigt sind. Die Postkarten können verschickt werden und Geschmackserlebnisse oder Erinnerungen können trotz räumlicher Distanz geteilt werden. Dadurch wird das Wissen über saisonales und regionales Essen auf spielerische Weise aufgegriffen und Absender*in und Empfänger*in zugänglich gemacht. Jede Karte ist in ihrer Zusammensetzung, Form und in ihrem Geschmack einzigartig.
Designprojekt von Lorena Droste
Vaportaste - Was passiert, wenn man der Nahrung alles nimmt außer dem Geschmack?
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Grundsätzlich geht es bei VaporTaste um die Fragestellung, was passiert, wenn man der Nahrung alles nimmt außer dem Geschmack. Das ganze soll eine Anregung sein, über unser heutiges und zukünftiges Essen oder Nahrung nach zu denken.
»What if food is reduced to nothing more than its taste? How does this change the experience of eating and which new opportunities might arise? VaporTaste is an installation and experience that uses a process of destination to turn food into clear liquid. It removes all sensory stimulation food normally provides, except for the pure taste.«