FARBE AM OBJEKT
Farb-Phänomene am dreidimensionalen Objekt„Farbe ist ein höchst relatives Medium der Gestaltung“ – Josef Albers*
Farbe ist relativ zum Betrachter, relativ zu ihrer Umgebung (oder zu benachbarten Farben) und relativ zum Licht. Dies sind die drei wichtigsten Einflussfaktoren auf die Wirkung und Wahrnehmung von Farben. Das Zitat von Josef Albers beschreibt also, wie subjektiv wir Farbe wahrnehmen. Ein weiteres Zitat von ihm – „...gute Farbgestaltung lässt sich mit gutem Kochen vergleichen. Auch ein gutes Kochrezept verlangt wiederholtes Kosten, und das beste Probieren hängt ab von einem Koch mit Geschmack“– belegt, dass Farbgestaltung erfahrungsbasiert erlernt werden muss. Nur durch wiederholtes Anmischen, Vergleichen, Anordnen auf unterschiedlichen Untergründen und durch intensive Anwendung lässt sich ein Gespür für den Umgang mit Farbe erlangen.
Beim Umgang mit Farbe am dreidimensionalen Objekt kommen weitere Aspekte hinzu: Wie beeinflusst die Farbe die Wahrnehmung einer dreidimensionalen Form? Unterstützt sie die Wahrnehmung der Form oder erzeugt sie Unklarheit oder gar eine Täuschung, wie zum Beispiel die Camouflage? Wie erzeugt man Signalwirkung? Wie bringt man Farben zum Flimmern? Wie beeinflusst der Einsatz unterschiedlicher Materialien die Wahrnehmung der verwendeten Farbe? Welche Farbe hat ein hölzernes Objekt? Wie entstehen die Farben des Regenbogens?
Wie verändern Licht und Schatten die Farbe eines Objekts? Wie werden Perspektiven oder Distanzen im Raum von Farbe beeinflusst?
All diese Erkenntnisse gilt es im Seminar „Farbe am Objekt“ für Studierende erfahrungsbasiert zu ergründen, um einen ausgeprägten „Farb-Geschmack“ zu erlangen.
Um genau dieses Farbgespür zu erlangen, experimentierten Studierende der Fachgruppe Industrial Design im Rahmen des Bachelor-Projektes „Farbe am Objekt: Dreidimensionale Farbmodule“ mit farbigen Holzmodulen vorgegebener Längen. Diese mündeten in Entwürfe von Gegenständen und Möbeln des täglichen Gebrauchs. Zum Einstieg in das Thema sollten persönliche Herkunfts- oder Sehnsuchtsorte als Farbstudien in Form von quadratischen Farbfeldern in einem vorgegebenen Raster ausgedrückt werden um so individuelle Farbwelten zu erzeugen. Diese bildeten die Basis zur Farbgestaltung der vorgefertigten Holzmodule, mit denen die Kurs-teilnehmer*innen zunächst frei und spielerisch dreidimensionale Assoziationsräume schufen. Studierende und Lehrende verbrachten einen herrlichen Sommertag auf der Dachterrasse des Hochschulgebäudes damit, farbige Holzleisten immer wieder neu nach Farbreihen oder frei assoziativ zu sortieren und konstruktive Verbindungen, Verschränkungen und Stapelungen zu erproben.
Um zu erfahren, wie schnell und einfach ein Benutzungs- oder räumlicher Kontext ausschließlich mit farbigen Holzleisten beinflusst oder geschaffen werden kann, führten die Studierenden Ein-Minuten-Studien als Impulse für die folgenden komplexeren Entwürfe durch. Ausgehend von diesen dreidimen-sionalen Skizzen entwickelten sie im Folgenden Objekte wie Bänke, Hocker, Stühle, Aufbewahrungsmöbel oder Raumtrenner. Diese basierten anfangs auf Modulen in fixen Maßen, die sich mit zunehmender Konkretisierung des Entwurfs immer mehr an die Benutzungsanforderungen des Gegenstands und seiner Umgebung anpassten. Konstruktionen wurden auf ihre Funktion und Stabilität überprüft und auf das Wesentliche reduziert. Eine material- und farbgerechte Gestaltung lag dabei stets im Fokus der Studierenden. Während des gesamten Prozesses wurden Farbkonzepte für die Objekte angelegt, Varianten erprobt und auf ihre Wirkung hin beurteilt.
Grundsätzliche Farbphänomene an einem konkreten Objekt zu erarbeiten und anzuwenden stellte die zentrale Herausforderung für die Studierenden dar. In vielen Fällen zeigte sich, dass sich die angehenden Designer*innen trotz der intensiven vorausgehenden Auseinandersetzung mit Farbe allein auf die konstruktive, nutzungs- und kontextorientierte formale Gestaltung der Gegenstände fokussierten. Und nicht selten berücksichtigten sie die Farbgestaltung der Objekte überhaupt nur deshalb, weil sie eben Teil der Aufgabenstellung war. Die sorgfältige Farbdifferenzierung, die in den zweidimensionalen Arbeiten durch-aus zu erkennen war, erwies sich beim dreidimensionalen Objekt nicht selten als Hürde. Schlussendlich entstand eine Vielzahl von unkonventionellen Entwürfen, die in ihrer Form- und Farbgebung mal mehr oder weniger auf ihre Anwendung abgestimmt wurden.
Das Projekt macht deutlich, wie schwer sich Designer und Designstudierende mit der Farbgestaltung am Objekt tun. Leider wird die Farbgebung häufig nicht von Anfang an mitgedacht, sondern erst hinterher addiert oder aber die Zusammenhänge zwischen Farbe und Objekt erscheinen zu konstruiert. In diesem Fall ist wohl ein Grund dafür die Tatsache, dass die Kursteilnehmer*innen zum größten Teil noch im ersten Studienjahr standen und noch insgesamt sehr wenig Erfahrung im Umgang mit Form, Materialität und Farbe hatten. Um mit Josef Albers‘ Worten zu sprechen, sind sie am Anfang ihrer Ausbildung noch keine „Köche mit Geschmack“. Die Ergebnisse sprechen aber sehr wohl dafür, dass viele von ihnen durch weiteres ständiges „Probieren“ auf einem sehr guten Weg dahin sind.
Sulam, Daniel Cohen
Sulam ist ein Regal für Strandbekleidung, inspiriert vom Lifestyle der Bewohner Tel Avivs. In Küstenstäd- ten wie Tel Aviv ist es ein Ritual, am Ende des Tages zum Strand zu gehen, wo man entspannt und den Alltagsstress der Stadt hinter sich lässt. Mir scheint als hätten die Bewohner ihr Badezeug jederzeit griffbereit – manche in einer Strandtasche neben der Tür, manche auf dem Balkon, um den Sand nicht in der Wohnung zu verteilen. Sulam ist ein Möbelstück, das die Strandbekleidung ordentlich und gesammelt an einem Platz in der Wohnung bereit hält. An den Querstangen lassen sich Badesachen und Hand- tücher zum Trocknen aufhängen, auf der unteren Ablage finden Flipflops oder andere Schuhe Platz, auf der kleinen Ablage wichtige persönliche Dinge
und an einem Haken eine Tasche. Das an eine Leiter erinnernde Design spart Platz und ist leicht zu klappen und zu verstauen (etwa in den Wintermona- ten). Die Konstruktion von Sulam wurde bewusst einfach gehalten, setzt auf Holzelemente in Stan- dardmaßen, benötigt keine teuren Werkzeuge und lässt sich als DIY nachbauen.
Die Farbgebung des Holzregals passt sich dem individuellen Geschmack des Eigentümers an. Die für den präsentierten Prototypen gewählten mono- chromen Farbblöcke stehen im Kontrast zu dem meist sehr farbenfrohen Strandzubehör, das auf ihm Platz findet.
Hover Chair, Maximilian Ewert
Der Hover Chair ist ein simpler Holzstuhl, der zum gemütlichen Zusammensitzen oder zu einer kleinen Pause im Alltagsstress einlädt. Seinen Platz findet
er sowohl im Garten als auch auf dem Balkon oder der Terrasse. Durch seine ungewöhnlich niedrige Sitzfläche eignet er sich besonders gut, um die Beine auszustrecken und sich zu entspannen.
Charakteristisch für den Stuhl ist seine geometri- sche und einfache Form. Vorderbeine, Sitzfläche und Rückenlehne stellen eine Einheit dar.
Die konstruktive Einheit von Vorderbeinen, Sitzflä- chen und Rückenlehne wird durch die Farbgebung des Hover Chairs zusätzlich unterstrichen: Der vordere Teil erhielt einen weißen, der hintere Teil des Stuhls einen schwarzen Anstrich. Dieser Kniff verleiht dem Möbel mit passendem Namen den Anschein zu schweben. Außerdem lässt die Farbge- bung auch Schlüsse auf die Konstruktion zu. Durch die nach hinten geneigten Beine wird nicht nur die Rückenlehne gestützt, sondern auch das Kippen des Stuhls verhindert.
Rot/Schwarzer Hocker, Yali Chen
Die Grundidee zu diesem Hocker leitet sich ab von der Struktur traditioneller chinesischer Gebäude, beziehungsweise traditioneller chinesischer Dach- konstruktionen. Da Dächer schwer lasten, werden sie innen wie außen durch Säulen gestützt. Die Zusammenfügung der einzelnen Bauteile erfolgt nicht durch Eisennägel oder -klammern. Raffiniert werden die einzelnen Teile der Konstruktion zusam- mengesteckt und bilden eine stabile Einheit. Auch der Hocker braucht weder Nägel noch Klammern, sondern wird aus Holzelementen aufgebaut und mit Holzleim und Holzdübeln verbunden. Diese Struktur ist einfach, prägnant und überaus stabil.
Rot und Schwarz sind zwei Hauptfarben in der chinesischen Geschichte und Kultur. Rot, die Farbe des Elements Feuer, steht für den Sommer und den Süden und ist ein Symbol für Freude, Glück und Wohlstand. Rot hat deshalb in China auf allen Festen und Feiern einen festen Platz. Neujahrsfeste, Hoch- zeiten oder Geburtstagsfeiern wären ohne rote Dekoration und rote Kleidung undenkbar. Schwarz, die Farbe des Elements Wasser, gilt dagegen als Symbol für den Winter und den Norden und steht für Ehre und hohe Würden. Werden Rot und Schwarz kombiniert, kommen Feuer und Wasser, Bewegung und Ruhe, Wärme und Kälte zusammen – zu einer so gegensätzlichen wie harmonischen Einheit.
JV1 Leaning Bench, Jannik Steffan, Valentin Lude
Ob auf einem schmalen Balkon oder in engen Fluren, die Leaning Bench lässt sich überall problemlos platzieren. Durch den Verzicht auf einen nach hinten wirkenden Standfuß wird der Entwurf maximal reduziert: Um die Bank mit ihrer einklappbaren Sitzfläche aufzustellen, braucht es lediglich eine stabile Wand, an die sie angelehnt wird. Im unge- nutzten Zustand lässt sich das Möbel ganz einfach flach zusammenfalten und Platz sparend verstauen. Jedoch sollte man nicht nur in engen Räumen von der Leaning Bench Gebrauch machen. Aneinander- gereiht zu Sitzgelegenheiten unterschiedlicher Breite ist sie in Foyers oder Warteräumen optimal einsetz- bar. Als (farbig lackiertes) Einzelstück wird sie zum Blickfang im Wohnraum. Selbst als Notbank findet sie ihren Platz: Kündigen sich unerwartet Gäste an, lässt sie sich schnell ausklappen und bietet so zusätzliche Sitzgelegenheiten.
Die Leaning Bench ist in vielen verschiedenen Farbstellungen denkbar. Eine der jeweiligen Wand- farbe entsprechende Farbgebung lässt die Bank mit ihrem Hintergrund verschmelzen. In Foyers oder Wartebereichen von Unternehmen könnte die Farbgestaltung der Bank an die individuelle Firmen-CI angepasst werden.
James, Pauline Schellenberg
Als stummer Diener hilft James, getragene Kleidung zu organisieren und knitterfrei aufzu- bewahren. Seine Auflagefläche besteht aus vier Grundmodulen, die zu einem Rechteck verbun- den wurden. An den jeweils längeren Seiten des Rechtecks sind die tragenden Elemente befes- tigt. Das kurze T-Stück wurde mittig angebracht und der hohe Träger, bestehend aus einer waagerechten und zwei senkrechten Holzlat- ten, ist an den inneren Seiten des Rechtecks befestigt. Ein zweites Rechteck auf mittlerer Höhe des T-Stücks verbindet das gesamte Gebilde. James bietet viel Platz und verschiede- ne Ebenen, um Kleidung zu sortieren. Dabei wirkt das Möbel im Raum nicht massiv und findet auch in kleinen Räumen Platz.
Das Farbkonzept von James basiert auf Zu- rückhaltung, denn die Formgebung des Möbels steht klar im Vordergrund. Lackiert in Ab- stufungen von Weiß, passt sich der stumme Diener gut in Schlafzimmer oder Bad ein, sticht durch die gezielt gesetzten farbigen Akzente – die Stirnseiten der horizontalen Ablagen wurden orange lackiert – trotzdem heraus. Bei der gezeigten hellen Ausführung von James geht es vor allem um das Spiel mit Licht und Schatten. Durch das Abtönen der weißen Farbe auf den oberen Flächen entsteht eine optische Täuschung, da diese Oberseiten normalerweise deutlich heller wären.
Butler, Enya Scheller
Ob Garderobe im engen Wohnungsflur, stummer Diener im Schlafzimmer oder praktischer Organizer für die Handtaschensammlung – dieses modulare Regalsystem bietet für viele Stauraumfragen eine Lösung. Mit seinen einzelnen Komponenten lässt sich das Wandregal in seiner Länge von rund acht Zentimetern bis zu über einem Meter variieren und passt sich so den unterschiedlichen Platzbedürfnis- sen an. Die einzelnen Elemente bestehen aus jeweils zwei Seitenwänden mit einem ausklappbaren Ele- ment in der Mitte, welches entweder massiv ausge- bildet oder mit einer Nut für Kleiderbügel versehen ist. Die Anzahl und Position dieser Grundelemente lässt sich individuell zusammenstellen. Der beson- dere Clou: Wird es nicht benötigt, lässt sich das Wandregal flach zusammenklappen. Durch seine stabile Konstruktion erweist es sich als sehr robust und bewahrt sicher alles Verstaute.
Signalfarben mit starker Anzeichenfunktion wurden für die Bereiche des Möbels gewählt, die der Nutzer anfassen und aufklappen kann, oder aber an die sich Kleiderbügel, Handtaschen und ähnliches hängen lassen.